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Illegitime Schulden | Teilnehmendenkommentare

Wie geht Ihre Kirche mit dem Thema der illegitimen Schulden um? Warum sind illegitime Schulden eine Frage des „täglichen Brotes“, in der die Kirche aktiv werden sollte?

Pfarrerin Martina Helmer-Pham Xuan, Evangelisch-Lutherisches Missionswerk in Niedersachsen, Beraterin

Wie | Meine Kirche ist sich dieses Problems irgendwie bewusst und hat einige Kampagnen dazu durchgeführt. Aber es ist kein Thema, das bei uns oft auf der Tagesordnung stehen würde. Wir wissen zwar, dass es existiert, aber wir sprechen nicht darüber. Als mir klar geworden ist, wie lange die LutheranerInnen sich bereits mit dieser Problematik beschäftigen, war ich richtig schockiert.Als der Internationale Währungsfonds (IWF) Brasilien die Schulden erlassen hat, haben wir uns zwar sehr darüber gefreut, aber es war nicht etwas, das in unserer Kirche auf Gemeindeebene angekommen wäre. Die Menschen betrachten es als säkulares Thema; in Wirklichkeit geht es uns aber alle an. Einige der Alt-68er ignorieren diese Wechselbeziehungen einfach. Aber wir sind alle betroffen. Warum | Wir müssen uns konkrete Informationen über die illegitimen Schulden beschaffen. Die komplexen finanziellen Aspekte und blossen „Daten“ können den Eindruck erwecken, dass diese Problematik von unserer eigenen Realität allzu weit entfernt ist. Es ist wichtig, dass die Menschen erfahren, dass unsere Pfarrer und Pfarrerinnen bereits seit 30 Jahren beim IWF und ähnlichen Organisationen vorstellig geworden sind. Und unsere Brüder und Schwestern in aller Welt sind davon betroffen.

Für die Gemeinden ist es sehr wichtig, dass sie sich über das Problem der illegitimen Schulden informieren und es verstehen. Das wird langfristig zu einer Änderung der Sichtweisen führen.

© LWB/Ratna Leak

Gunstein Instefjord, Norwegische Kirche, Delegierter

Wie | Über die Dienste und Werke unserer Kirche und mit Hilfe einzelner Kirchen haben wir in Norwegen Kampagnen zu illegitimen Schulden durchgeführt. In Norwegen war die Krise der Werftindustrie Auslöser für die Entstehung illegitimer Auslandsschulden. Unsere Regierung hat damals versucht, norwegische Werften durch den Verkauf von Schiffen an andere Länder zu retten – und das, obwohl diese Länder riesige Schulden und Probleme hatten.

2006 haben Mitglieder des kirchlichen Jugendnetzwerks „Changemakers“ angefangen, sich für den Wandel einzusetzen. Norwegen entschloss sich schliesslich zu einer Streichung aller Schulden, die im Rahmen des Schiffswerftendeals eingegangen worden waren, und die Regierung sprach in diesem Zusammenhang von ihrer eigenen „Mitverantwortung“. Dieses Eingeständnis ist einmalig. Norwegen ist das einzige Land, das sich zu seiner Mitverantwortung bekannt hat und klar sagt: Wenn man den Leuten Geld hinterher wirft, steht man selbst in der Verantwortung.

Warum | Das ist offensichtlich. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn die Philippinen, Südamerika, Argentinien und andere sich tatsächlich um eine Rückzahlung der Darlehen bemühen, die in der Vergangenheit an Diktatoren vergeben wurden – und dazu gedient haben, das Volk zu unterdrücken, – dann führt dies dazu, dass in diesen Ländern noch weniger Geld für Nahrungsmittel, Medikamente und Bildung zur Verfügung steht.

Wenn man einem Diktator, der sein Volk unterdrückt, Geld leiht, sollte man nicht erwarten, dass dieses Volk die Schulden zurückzahlt.

Heute haben wir Fälle, in denen neu entstandene Demokratien Darlehen zurückzahlen müssen, die von Anfang an ethisch unverantwortlich waren und deren Rückzahlung das Entwicklungspotenzial dieser Länder bedroht.

© LWB/Ratna Leak

Pfarrerin Meghan Johnston Aelabouni, Evangelisch-Lutherische Kirche in Amerika, Delegierte

Wie | Auf nationaler Ebene muss unsere Kirche – über landesweit tätige Hilfswerke und Büros – anwaltschaftliche Arbeit leisten, da die Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet ein sehr wichtiger Akteur sind.

Auf lokaler Ebene besteht für einen Gemeindepfarrer/eine Pfarrerin die erste Aufgabe darin, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass illegitime Schulden ein grundlegendes Problem darstellen. Dann müssen die Menschen erkennen, dass die Kirche ihnen eine Stimme gibt, die sie auf allen Ebenen zu Gehör bringen können. Viele Menschen glauben nicht wirklich, dass sie etwas bewegen können.

Für einige ist dies eine sehr schwierige Frage, weil sie der Ansicht sind, dass die Kirchen sich nicht in Angelegenheiten einmischen sollten, die ihrer Meinung nach politisch sind. Sie befürworten einen säkularen Umgang mit der Wirtschaftskrise.

Aber aus christlicher Sicht gehen diese Schulden uns alle an; sie stellen für unsere Brüder und Schwestern in Christus überall auf der Welt eine Gefahr dar und sind deshalb für uns alle ein wichtiges Anliegen.

Warum | Heute Morgen habe ich in einer deutschen Gemeinde über das tägliche Brot gepredigt. Die Sache mit dem täglichen Brot kann kompliziert sein. Oft sehen wir nicht die Beziehung zwischen den materiellen Dingen, die wir zum Überleben brauchen, und dem ganzen Wirtschaftssystem. Dieses System kann kaputt sein und den Menschen aufgrund seiner kaputten Strukturen den Zugang zum täglichen Brot versperren.

Illegitime Schulden machen deutlich, wie die Sünden unserer Vorfahren sich auf nachfolgende Generationen auswirken können. Aber wir bitten um Vergebung und vergeben selbst.

Wir halten uns jedoch auch vor Augen, dass Geschenke, die wir unseren Nächsten geben, nur um sie dann auszubeuten, keine Geschenke mehr sind. Wir können unseren Nächsten keine Geschenke machen und sie dann zu unserem eigenen grösstmöglichen Profit ausbeuten. Es handelt sich um eine Frage des täglichen Brots, wenn wir von anderen nehmen, um selbst zu viel zu haben.

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